Formen der Beratung: Was ist Beratung überhaupt?
Bevor wir uns mit den einzelnen Formen der Beratung beschäftigen, sollten wir klären, was Beratung überhaupt ist. Eine kleine Grundlagen-Definition ist angesagt! Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass Beratung ein Kommunikationsprozess ist.
Und wie in jedem Kommunikationsprozess haben die Kommunizierenden bestimmte Sichtweisen auf die Realität, Perspektiven und Handlungen (also Realitätskonstruktionen), die aufeinandertreffen.
In einer Beratung stellt dann der Berater ganz bewusst und mithilfe unterschiedlicher Konzepte und Methoden seine eigenen Sichtweisen und Perspektiven denen des Kunden gegenüber. So soll der Kunde zur für sich besten Lösung kommen.
Übrigens: Unsere Sichtweisen auf die Realität (Realitätskonstruktionen) beeinflussen immer auch unsere Handlungen. Das bedeutet auch, dass die Handlungen den Sichtweisen folgen:
- Jeder Mensch macht also das, von dem er glaubt, dass es das richtige ist.
- Jeder Mensch handelt so, wie er denkt, dass es professionell ist.
- Jedes Unternehmen stellt genau das Produkt her, von dem er denkt, dass es das beste Produkt ist.
Möchte der Kunde also Handlungen verändern, um so seine Ziele zu erreichen (z. B. transparente Kommunikation), muss er sich also zunächst auf seine Sichtweisen fokussieren und diese anpassen bzw. optimieren. Genau dabei bietet der Kommunikationsberater Rat und Unterstützung.
Was kann bei allen Formen der Beratung passieren?
Im Verlauf einer Beratung – unabhängig von den Arten der Beratung – können unterschiedliche Dinge passieren. Diese haben wir nun aufgelistet:
1) Anbieten und Erweiterung von Sichtweisen, Erklärungen, Handlungsoptionen und Perspektiven
2) Anregungen und Impulse werden in Form von Interventionen (Analysen, Coaching-Methoden, Empfehlungen) gegeben
3) Hinterfragen von Realitätskonstruktionen
4) Irritieren
Auf diese Punkte und Themen gehen wir nun näher ein:
1) Sichtweisen werden angeboten & erweitert
Das Ziel dabei ist, dass Klienten so ihre Perspektiven, Erklärungen und Handlungsoptionen erweitern können – sie bekommen in diesen Bereichen also quasi eine größere Auswahl und merken, dass sie mehr Handlungsoptionen haben, als sie eventuell dachten. Das Stichwort der Beratung ist also: Erweiterung von Perspektiven. Und das Ziel? – Veränderung!
2) Anregungen & Impulse werden gegeben
Ein Kommunikationsberater gibt Anregungen und Impulse in Form von Interventionen (Analysen, Coaching-Methoden, Empfehlungen). Ob der Kunde diese Interventionen dann annimmt, bleibt letztendlich jedoch ihm überlassen. Er kann also…:
- … eine Mischung aus der alten Handlung und dem neu Gelernten machen
- … das Neue umsetzen und das Alte verwerfen
- … beim Alten bleiben, weil er merkt, dass das so doch für ihn passt (auch dann hat Beratung funktioniert). Diese Variante ist aber eher selten.
3) Hinterfragen
Doch in einer Beratung werden nicht nur Sichtweisen, Handlungen, Erklärungen, Handlungsoptionen und Perspektiven angeboten, sondern auch Realitätskonstruktionen hinterfragt.
Der Kommunikationsberater hinterfragt also, ob gewisse Dinge immer schon so waren und es zu dem Weg, den der Kunde gerade geht, wirklich keine Alternative gibt. So soll der Kunde einen neuen Anhaltspunkt bekommen, von dem aus er andere Perspektiven entdeckt.
Denn oft machen Menschen Dinge nur, weil sie sie so gelernt haben. Hier muss der Kunde stattdessen beginnen nachzudenken. Die Beratung bietet also auch einen Reflexionsraum und die Möglichkeit zur Entwicklung neuer Denkansätze.
4) Irritieren
Auf den ersten Blick ungewöhnlich, aber wahr: Auch das Irritieren ist eine gute und wirksame Möglichkeit, um zum Ziel zu kommen.
Der Denkprozess bzw. die Denkweise des Ratsuchenden soll so verstört werden. Das natürlich nicht aus Böswilligkeit oder um den Klienten zu ärgern, sondern um ihn aus seinem momentanen (Gedanken-)Weg herauszureißen. Dadurch wird die Entwicklung neuer Ansätze gefördert, die oft nur erblickt werden, wenn man sich wagt, neu und anders zu denken als bisher.
Hier werden u.a. beispielsweise auch Verschlimmerungsfragen angewendet, also solche, bei denen nicht gefragt wird, was passieren muss, damit die Situation besser wird, sondern was passieren müsste, damit es noch schlimmer wird. So möchte der Kommunikationsberater seinen Klienten aus seinem Gedankenstrudel herausholen.
Beispiel aus einem möglichen Beratungsgespräch:
Kunde: "Ich weiß nicht, was ich machen soll. Meine Situation ist schlimm und ich weiß nicht, was ich verändern könnte."
Berater: "Was müssten Sie denn tun, damit Ihre Situation noch schlimmer wird?"
Kunde: "Was...?"
Oft haben Menschen in gewissen Situationen eine Art Tunnelblick, den sie nicht überwinden können. Durch die Irritation soll dieser durchbrochen werden.
Ganz allgemein kann man sagen, dass das Hinterfragen und das Irritieren oft auch zusammenhängen, da durch das Hinterfragen in gewisser Weise auch schon irritiert wird. Der Kunde beginnt, genauer über sein Handeln zu reflektieren, wird eventuell verwirrt und kann anschließend eine Lösung finden, die er so noch gar nicht auf dem Schirm hatte.
Ähnlich formuliert es auch der Psychiater und Psychoanalytiker Fritz B. Simon, der Beratung als „Re-Konstruktion von Wirklichkeit“ beschreibt1. Damit meint er jedoch nicht, dass man eine komplett neue Wirklichkeit (also Sichtweise) aufbauen müsste, weil die bestehende schlecht wäre. Es geht auch nicht darum, eine gute Sichtweise, die man mal hatte, wiederherstellen zu müssen, nur weil man sie irgendwann mal verworfen hat.
Es geht ihm vielmehr um das Neu-Ansehen des Bestehenden und in weiterer Folge das Neu-Bewerten. Sichtweisen werden hinterfragt und so optimiert.
Woran erkennt man gute/schlechte Beratung?
Wichtig ist bei einer Beratung, dass der Kommunikationsberater seine Perspektiven lediglich anbietet; was der Kunde dann damit macht, bleibt seine Entscheidung.
Es geht also nicht darum, dem Gegenüber zu sagen, …
- … wie er etwas zu machen hat oder ihm ein „Kochrezept“ vorzulegen – denn das wäre eine Verengung der Perspektiven.
- … dass alles, was er macht, falsch ist und nur der Berater weiß, was richtig ist – denn das wäre eine Belehrung.
- … dass er nur eine einzige Option hat – denn das wäre ebenfalls eine Belehrung.
Oder anders ausgedrückt: Ein Kommunikationsberater sollte die Autonomie der Person/des Unternehmens respektieren. Das ist auch einer meiner persönlichen Grundsätze für eine Beratung.
Wenn Sie nun Kontakt zu Beratern haben, können Sie anhand folgender Punkte erkennen, wie gut oder schlecht Sie und Ihre Organisation bei ebendiesen aufgehoben sind:
Keine gute Beratung ist, wenn der Berater...:
... den Klienten in die Ecke drängt: "Nur so, wie ich es dir sage, ist es richtig" (Druckaufbau)
... sagt: "Wenn Sie es so machen, kann ich nicht weiter mit Ihnen zusammenarbeiten."
... sagt: "Sie müssen nicht drüber nachdenken, machen Sie einfach, was ich sage." (den Ratsuchenden behandeln wie ein Kind)
... sich als Guru aufspielt (im Sinne von: "Ich weiß es besser!")
Respekt wäre, wenn...
... der Kunde noch sagen kann: "Danke, aber ich finde den Vorschlag nicht so sinnvoll."
... das gesamte Gespräch auf Augenhöhe stattfindet.
Ganz konkret: Die drei Formen der Beratung
Mit diesem Hintergrundwissen zu Beratungen im Allgemeinen sehen wir uns nun die drei konkreten Arten der Beratung im Detail an – angefangen jeweils mit einer kleinen Definition, gefolgt von konkreteren Details.
Form 1: Prozessberatung
Bei der Prozessberatung spricht man auch von der Sozialdimension. Denn es wird dort angewendet, wo es um Menschen und menschliche Probleme geht.
Hier wird man als Kunde nicht in einer Sache oder einem Fach beraten, sondern der Prozessberater ist vielmehr Experte für Lösungsfindungsprozesse.
Der Prozessberater gestaltet diesen Prozess und der Kunde kann in ebendiesem Prozess eine Lösung für sich finden.
Das kann man in gewisser Weise mit einer Psychotherapie oder einer Lebens- und Sozialberatung vergleichen: Hat eine Person eine Angststörung, kann der Therapeut nicht einfach sagen „Wenn Sie meine Methode (Schema F) anwenden, sind Sie in drei Wochen angstfrei.“
Stattdessen sieht sich der Therapeut an, wo Probleme bei einzelnen Personen liegen und was man machen kann, um sie zu lösen.
Jetzt kann man fragen: Der Therapeut wendet doch sein Fachwissen an. Warum zählt das dann nicht zur Fachberatung?
Eine Fachberatung in dem Kontext wäre, wenn ein Therapeut Fachwissen über den Patienten und sein Leben hätte. Das könnte er nur haben, wenn er von der Geburt an jeden Schritt mit dem Patienten mitgegangen wäre – und das ist natürlich nicht passiert.
Stattdessen wendet der Therapeut sein Fachwissen um die Psychologie an, damit der Patient eine Lösung für sich findet. Und das ist eine Prozessberatung.
Die Prozessberatung ist also – wie eine Therapie – Hilfe zur Selbsthilfe. Sie soll also anregend sein, keine Steuerung.
Das Wort, das hier oft verwendet wird, ist "counseling", es geht um das Organisieren und Steuern eines Lösungsprozesses. Der Prozessberater führt den Kunden durch diesen hindurch, es handelt sich nicht um ein Steuern inhaltlicher Form.
Form 2: Fachberatung
In der Fachberatung geht es um die Sachdimension. Es geht in diesem Bereich um Wissen und Logik und wird dort angewendet, wo es um Nicht-menschliches geht: Technik oder Gewinnmaximierung beispielsweise.
In der Steuerberatung geht es um die Steuer, in Elektrogeschäften erhält man beispielsweise eine Beratung, was der beste Fernseher ist.
Der Fachberater muss dabei nicht besser sein als der Kunde, er kann auch genauso viel Hintergrundwissen haben. Was wichtig ist, ist, dass er eine andere Perspektive in das Gespräch hineinbringt und der Kunde eine neue Sichtweise kennenlernt.
Man spricht hier auch von der „Fremdhilfe„: Man bekommt Zusatzwissen und -informationen hinzu. Dieses Wissen wird dabei als Appell gegeben, hier gibt es also ein gewisses Steuerelement vonseiten des Beraters. Aber dieses sollte auch hier nicht 100%ig sein.
Das Wort, das hier oft verwendet wird, ist "advising", es geht um die Expertise des Beraters. Dieser verfügt über Fachwissen sowie tiefergehende Informationen und stellt diese zur Verfügung.
Form 3: Komplementärberatung
Diese Form vereint, kurz gesagt, das Beste aus den beiden vorangegangenen Formen der Beratung.
Man möchte hier weg von einer zweiwertigen Logik, also weg von „gut“ vs. „schlecht“, „falsch“ vs. „richtig“ und „entweder du machst A oder B“. Stattdessen geht es hier um eine gewisse Mehrdimensionalität, sodass Optionen entwickelt werden.
Diese Optionen bewegen sich immer zwischen:
- Möglichkeiten (Was möchte der Kunde? Möglichkeiten findet er meist in einem Prozess, der ihm vom Komplementärberater eröffnet wird)
- rationalen Grenzen (was ist fachlich gesehen überhaupt möglich)
Wissen wird hier als Frage oder Hypothese angeboten, im nächsten Schritt wird gemeinsam darüber reflektiert.
Beispiel: Der Kunde geht aktuell Weg A, kommt so aber nicht zu seinem Ziel. Der Komplementärberater fragt den Kunden dann, ob Weg B eine Möglichkeit für ihn wäre. Der Kunde reflektiert darüber und merkt, dass er B so nicht 100%ig übernehmen kann. Durch den Reflexionsprozess findet er aber Weg C als optimale Lösung.
Formen der Beratung: Fazit
Wir haben gesehen, dass es viele Beratungsformen gibt, die alle ihre Berechtigung und den perfekt zu ihr passenden Anwendungsbereich besitzen. Und: Beratung ist ein vielschichtiger Prozess, hinter dem so einige Vorgänge stecken, die man so nicht mitbekommt.
Wenn Sie also bei einem Problem schon einmal eine Beratung hatten, aber nicht mehr genau wissen, welche das war, haben Sie es vielleicht durch diesen Artikel herausgefunden.
Und wenn Sie sich nun fragen, welche Beratung mein Favorit ist, dann will ich diese Frage auch gerne beantworten: Für mich persönlich steht in meiner Arbeit die Komplementärberatung ganz oben auf dem Siegertreppchen. Denn mein Fachgebiet ist die Kommunikation. Und diese ist nicht nur technisch (durch die Kommunikationskanäle und die Kommunikationsstrategie), sondern hat immer vor allem auch eine menschliche Dimension.
Ratsuchenden in einem solchen Fall eine Lösung oder eine Art „Kochrezept“ für ein Problem appellartig vorzuschreiben, wäre in der Praxis nicht zielführend. Um Perspektiven zu erweitern, braucht es natürlich auch Fachwissen, mit dem Ihre Situation und Kommunikationskompetenzen reflektiert werden können, aber die letztendliche Lösung sollte in einem Prozess gemeinsam erarbeitet werden.
Denn genauso wenig, wie wir alle dieselbe Persönlichkeit haben, gibt es nicht für alle dieselbe passende Lösung. Sie sollte für jeden einzelnen individuell gefunden werden. Das gehört zu den Grundlagen meiner Arbeit.
Sie möchten eine Beratung?
Hier kostenloses Erstgespräch vereinbarenQuellenangabe:
1Simon, Fritz B. (2014). Einführung in die (System-)Theorie der Beratung. Heidelberg. Carl Auer Verlag.
Mag. Markus Dröscher, Bakk MSc MBA
Akademischer Mediator (eingetragen)
Akademischer Unternehmensberater, Coach & Trainer
E-Mail: office@markstone.at
Tel: 0677 61 98 49 53